Angebot und Nachfrage

Angebot und Nachfrage als Tauschwert-Regulativ?

„Es wird offenbar, daß nicht der Austausch die Tauschwerte, sondern die Tauschwerte den Austausch regulieren.“ K Marx: Das Kapital, Bd. 1, S. 78

Kommentar: Marx verwechselt die Henne mit dem Ei, die Wirkung mit der Ursache. Die Tauschwerte der Waren erscheinen nur im Moment des Austausches. Der Austausch zweier Warenmengen ist die Voraussetzung dafür, daß die eine Ware den Produktwert der anderen Ware als Tauschwert erhält. Der Austausch ist die Ursache, daß in dessen Folge die Tauschwerte erscheinen. Ohne Austausch gibt es gar keine Tauschwerte.

„Aus dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage kann nicht auf die Entstehung des Tauschwertes geschlossen werden. Sicher wirkt Angebot und Nachfrage über die Gebrauchswert-Funktion regulierend auf den Preis, aber die Entstehung der Größe Tauschwert (seine warenspezifische Maßzahl und seine Einheit) können daraus nicht abgeleitet werden.“ K Marx: Das Kapital, Bd 3, S. 191

Kommentar: Man merkt den enormen Fortschritt, den Marx zwischen dem ersten Band und dem dritten Band seines Kapitals gemacht hat, denn es ist völlig korrekt, daß aus dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage nicht auf die Entstehung des Tauschwertes geschlossen werden kann. Das Angebot ist eine Warenmenge, die Nachfrage spiegelt den Bedarf nach einer Warenmenge wider. Der zweite Satz ist schon wieder problematischer. Erstens gibt es keine Gebrauchswertfunktion; der Austausch ist von gewissen Bedingungen abhängig, die wir die Gebrauchswertbedingungen des Austausches nennen (siehe konsIkon).

„Das liberal-ökonomische Gesetz von Angebot und Nachfrage zur Bestimmung des Tauschwertes einer Ware, ist genau genommen nur ein Gebrauchswert-Problem. Waren die produziert wurden, ohne daß sie einen Absatz finden (Angebot > Nachfrage) haben demzufolge keinen (oder einen verringerten) gesellschaftlichen Gebrauchswert. Waren, bei denen eine hohe Nachfrage besteht (Nachfrage > Angebot), haben einen hohen gesellschaftlichen Gebrauchswert.“ R Kurz: Schwarzbuch

Kommentar: Robert Kurz hat leider nur Konsumenten-Brille auf. Sicher ist das Verhältnis von Angebot und Nachfrage ein Gebrauchswertproblem. Für den oder die Produzenten ist es aber vorrangig ein Tauschwertproblem. Sie können die hergestellten Waren nicht verkaufen und bekommen deshalb ihren Aufwand (sei es an Geld oder eigenener Arbeitszeit) nicht anerkannt.

„Wenn sich Angebot und Nachfrage decken, heben sie sich wie zwei entgegengesetzt wirkende Kräfte auf und hören somit genau wie in der Physik auf zu wirken. Wenn sich Angebot und Nachfrage im Idealfall aufheben, hören sie auf, irgend etwas über die Entstehung des Tauschwertes zu erklären und lassen uns erst recht im dunkeln darüber, weshalb der Preis im speziellen Fall gerade so groß ist, wie er ist. Nun wird jeder Wirtschaftsprofessor behaupten, daß sich Angebot und Nachfrage nie genau decken, aber warum ist es dann der Endpunkt, wo jeder Produzent hin will?“ K Marx: Das Kapital, Bd 3, S. 199

Kommentar zum 1. Satz: Das Angebot ist eine Warenmenge, nennen wir sie WA. Die Nachfrage ist der Bedarf nach einer Warenmenge, mit der die bestehenden Bedürfnisse befriedigt werden können – nennen wir sie WN. Wenn sich Angebot und Nachfrage decken, dann ist WA genauso groß wie WN, oder anders ausgedrückt WA = WN, oder noch anders ausgedrückt WA – WN = 0. (Beispiel: Es werden 10 Äpfel angeboten und es besteht der Bedarf an 10 Äpfeln, dann sind ´10 Äpfel – 10 Äpfel = 0 Äpfel.)
Kommentar zum 2. Satz: Hier wird ganz still und heimlich (also ohne es ausdrücklich zu erwähnen) ein Austausch vorausgesetzt, denn die Begriffe Tauschwert und Preis setzen einen Austausch voraus! Es wird aber nicht untersucht, gegen was die angebotene Warenmenge ausgetauscht wird. Auch hier wird wieder stillschweigend vorausgesetzt, daß sie gegen Geld getauscht wird: WA ⇔ G. Erst jetzt können wir den Tauschwert der Warenmenge WA bestimmen: τW := pG (Achtung: eine Geldmenge ist nicht das Gleiche wie der Produktwert des Geldes!). Kann der Gärtner statt den 10 Äpfeln nur 8 Äpfel verkaufen, weil die Nachfrage kleiner ist als das Angebot, dann wird auch die erhaltene Geldmenge kleiner sein, als die Geldmenge für 10 Äpfel. Die ´überschüssigen´ 2 Äpfel hat er dann umsonst produziert und bekommt die dafür aufgewendete individuelle Arbeitszeit nicht gesellschaftlich anerkannt. Das ist das ganze Geheimnis des Verhältnisses von Angebot und Nachfrage.

„Bei Angebot und Nachfrage als gesellschaftliches Phänomen wirken stets nur die Summen von Produktion und Konsumtion aufeinander. Die Summe der Produzenten einer Warenart repräsentiert das Angebot, die Summe der Käufer (Konsumenten) repräsentiert die Nachfrage. Der einzelne Produzent als auch der einzelne Konsument ist nur atomarer Bestandteil einer gesellschaftlichen Masse. Im Wechselspiel von Angebot und Nachfrage verändern sich ständig die Kraftverhältnisse. Ist das Angebot bei einer bestimmten Warenart größer als die Nachfrage (= Überangebot), braucht nur ein Produzent anfangen, seine Ware unter dem Warenwert loszuschlagen (warum auch immer: drohende Insolvenz, …) müssen ihm die anderen Produzenten folgen und die Konsumenten arbeiten gemeinsam darauf hin, den Marktpreis dieser Warenart so tief wie möglich unter der Marktwert dieser Waren zu drücken. Ist dagegen die Nachfrage größer als das Angebot (Waren-Mangel), so versucht ein Käufer den anderen zu überbieten (um an die begehrte Ware zu kommen) und verteuert so den Marktpreis über den Marktwert, den alle Warenproduzenten dieser Warenart auch sofort für ihre spezielle Ware übernehmen. Die gemeinsame Sache interessiert jeden Einzelnen aber nur, solange er mit ihr mehr gewinnt als ohne sie. Und die Gemeinsamkeit hört auf, sobald eine Seite aufhört die Stärkere zu sein und die Schwächere wird. Dann versucht er sich auf eigene Faust so gut als möglich heraus zu winden.“ K Marx: Das Kapital, Bd 3, S. 203

Kommentar zum 2. Satz: Der 2. Satz steht im völligen Widerspruch zum ersten Satz. Im ersten Satz redet Marx noch von Warenmengen. Im zweiten Satz über Produzenten, also von Menschen. Ein Gärtner ist aber etwas völlig anderes als 10 Äpfel und ein Käufer (also auch ein Mensch) ist auch etwas anderes als 10 Äpfel. Nicht der Gärtner repräsentiert das Angebot, sondern er hat es hergestellt. Ebensowenig repräsentiert der Käufer die Nachfrage, er braucht eine gewisse Warenmenge WN zur Befriedigung seiner Bedürfnisse.
Kommentar zum 5. Satz: Marx verwechselt Größe (Warenwert) mit Menge (Marktpreis). Größen und Mengen sind verschiedene Kategorien und niemals das Gleiche! Was bedeutet ´die Ware unter dem Warenwert loszuschlagen´? Mit Warenwert meint Marx hier den Produktwert. Der Gärtner verkauft einen Apfel mit einem Produktwert von 5 min vielleicht nur noch gegen eine Geldmenge mit einem Produktwert von 4 min. Der Tauschwert (τW := pG = 4 min) liegt also unter dem Produktwert der Ware (pW = 5 min). Im letzten Nebensatz verwechselt er wieder Menge (Marktpreis) mit Größe (Marktwert).
Kommentar zum 6. Satz: Natürlich kann der Gärtner den Apfel mit einem Prouktwert von 5 min auch gegen eine Geldmenge mit einem Produktwert von 6 min verkaufen. Das liegt aber mehr am Käufer, wenn er dem Gärtner einen größeren Produktwert gibt, als der Gärtner für die Herstellung des Apfel gearbeitet hat. (Im ersten Nebensatz auch hier wieder die Verwechslung von Menge und Größe).
Kommentar zum 7. Satz: Marx verwechselt wieder zwei Größen miteinander: Tauschwert und Gebrauchswert. Beim Verkauf gibt es keine gemeinsame Sache unter den Produzenten: Jeder Produzent will von seiner aufgewendeten Arbeitszeit so viel wie möglich anerkannt bekommen – und sei es auf kosten eines anderen Produzenten. Das gilt erst recht im Stadium des Überangebotes. Auch unter den Käufern gibt es keine gemeinsame Sache: jeder versucht, daß seine Bedürfnisse befriedigt werden, was erst recht in einer Mangelsituation gilt.

Wechselspiel zwischen Kooperation und Konkurrenz bei Mangel und Überproduktion

Zwischen einer Mangel- und einer Überangebotssituationen kommt es zu einem merkwürdigen Wechsel von Kooperation und Konkurrenz sowohl auf Seiten der Produzenten als auch auf Seiten der Konsumenten.

Mangel Überproduktion
Produzenten Kooperation unter den Produzenten in der Produktion Konkurrenz unter der Produzenten im Absatz
Konsumenten Konkurrenz unter den Konsumenten in der Beschaffung Kooperation unter den Konsumten zum Drücken des Preises

Situation 2: Absatz-Konkurrenz der Produzenten bei Überangebot

„Im Zustand der Überproduktion sind die Voraussetzungen zur produktiven Kooperation völlig umgedreht. Während im Notfall der Mangel zur Kooperation zwingt, ist unter den Bedingungen des Überangebots, der der Schwächere, der am meisten produziert hat, weil seine Produktwerte unter Umständen gesellschaftlich nicht anerkannt werden und damit ersatzlos untergehen. Im Falle des Überangebots zwingt also nicht der Mangel zur Kooperation, sondern der Absatz, bzw. der einigermaßen wertäquivalente Tausch. Kooperation, um möglichst noch mehr, oder mit weniger Aufwand zu produzieren, ist im Falle des ohnehin schon vorhandenen Überangebotes völlig obsolet.“ IE, 2008 nach K Marx: Das Kapital, Bd 3, S. 203 ff

Situation 4: Preissenkungs-Kooperation der Konsumenten bei Überangebot

„Statt dessen ist im Falle des Überangebots die Nachfrageseite eher die Stärkere. Sie könnte (Einigkeit der Konsumenten vorausgesetzt) den durchschnittlichen Tauschwert unter den durchschnittlichen Produktwert drücken. Der Hebel dazu wäre der fehlende Gebrauchswert. Allerdings ist Einigkeit unter Privat-Konsumenten eher die Ausnahme, da die verschiedensten individuellen Bedürfnisse kaum auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen sind (und sei es die Lackfarbe des Autos). Außerdem wird die viel besser organisierte Seite der Produzenten immer versuchen, eine Einigung der Konsumten zu verhindern.“ IE, 2008 nach K Marx: Das Kapital, Bd 3, S. 203 ff

Angebot und Nachfrage aus Sicht der Produktwert-Ökonomie

„Der Begriff ´Angebot´ läßt sich besser von seinem Gegenspieler, der Nachfrage erläutern. Die Nachfrage ist der Ausdruck eines offenen, unbefriedigten Bedürfnisses. Ich habe Hunger. Hunger ist ein offenes, unbefriedigtes Bedürfnis nach Nahrung. In der Nachfrage nach Nahrungsmitteln (z.B. nach Brötchen) drückt sich dieses unbefriedigte Bedürfnis aus. Wie kann das Bedürfnis nach einem Brötchen, sprich der Nachfrage nach einem Brötchen befriedigt werden? Im einfachsten Falle bäckt sich der Hungrige ein Brötchen selber, ißt es und sein Hunger ist gestillt, sein Bedürfnis befriedigt, die Nachfrage gedeckt. Haben viele Menschen Hunger, spricht man von einem gesellschaftlichen Bedürfnis. Zur Befriedigung der vielen, individuellen Bedürfnisse, könnte sich jeder seine Brötchen selber backen. Auch hier wird der Bedarf an Nahrungsmitteln durch menschliche Tätigkeit befriedigt. Da Menschen sehr effizient denkende Wesen sind, summieren sie die Arbeitszeiten jedes einzelnen Brötchenbäckers zusammen und kommen zu dem Schluß, daß in Summe weniger Arbeitszeit notwendig wäre, wenn ein einziger diesen Job übernehmen würde, und für alle Brötchen backen würde. Gesagt, getan, den nächsten Tag bäckt der Bäcker für alle Mitglieder seiner Gemeinschaft genausoviel Brötchen, wie sie in Summe den Tag zuvor auch gebacken wurden. Erst hier, wo einer für mehrere produziert, kommt das Angebot ins Spiel! Gehen Sie noch mal zu der Stelle zurück, wo jeder sein eigenes Brötchen gebacken hat. Dort war nur von der Befriedigung des Hungers die Rede, dort hatte der Begriff Angebot überhaupt keinen Sinn. Dort war nur von Nachfrage, von der Befriedigung eines Bedürfnisses die Rede. Jeder einzelne käme nur schwer auf den Gedanken, für sich selber mehr Gebrauchswerte herzustellen, als er selber konsumieren kann. Die Nachfrage wird befriedigt – und Schluß. Erst wo es möglich wird, mehr Gebrauchswerte herzustellen als benötigt, kommt das Angebot ins Spiel. Da die Massenproduktion des Bäckers effizienter gestaltet werden kann, als wenn jeder für sich alleine hinwurstelt, sprich in Summe weniger Arbeitszeit notwendig ist als bei der Einzelanfertigung, ist es dem Bäcker möglich, mehr Brötchen herzustellen. Konkret: In einer Gemeinschaft von 10 Mitgliedern, bäckt jeder 1h lang ein Brötchen für sich selber. Die Summe über alle Arbeitszeiten beträgt somit 10 Stunden. Am nächsten Tag stellt ein einziger die 10 Brötchen her, braucht dafür aber aus verschiedenen Gründen nur die Hälfte der Zeit, sagen wir 5 Stunden. Somit ist die Summe der Gesamtarbeitszeit zur Herstellung der 10 Brötchen gesunken, von 10 Stunden auf 5 h. Der Bäcker könnte in den nächsten 5 Stunden also noch mal 10 Brötchen herstellen. Er könnten also mehr Gebrauchswerte hergestellt als benötigt. Tut dies der Bäcker, stehen der Nachfrage nach 10 Brötchen, das Angebot von 20 Brötchen gegenüber. 10 seiner 20 Brötchen decken auf jeden Fall die Nachfrage, dann bleibt er auf der Überproduktion der weiteren 10 Brötchen sitzen, hat also 5 Stunden umsonst gearbeitet. Am nächsten Tag, bäckt er also wieder nur 10 Brötchen in 5 Stunden, Angebot und Nachfrage decken sich, sind gleich. Die gesellschaftliche Gesamtarbeitszeit ist allerdings von 10 auf 5 Stunden gesunken, was der Sinn und Zweck jeder Arbeitsteilung und Spezialisierung ist. Der Sinn von Angebot und Nachfrage ist es, keine Minute der individuellen und/oder gesellschaftlichen Arbeitszeit zu vergeuden.“ IE, 2009 nach K Marx: Das Kapital, Bd 3, S. 203