Wechselreiterei

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Geldmengen-Preis-Problem

Hauptartikel

Wechselreiterei liegt vor, wenn ein Wechsel von verschiedenen Personen ausgestellt und angenommen wird, ohne daß ein kausales Rechtsgeschäft (Kaufvertrag oder Darlehen) zugrunde liegt. Durch die Weitergabe des Wechsels (Indossament, hier im allgemeinen mit kausalem Rechtsgeschäft) vertraut der Annehmende auf die Zahlungsfähigkeit des Ausstellers. Das Inverkehrbringen von Reitwechsel trotz mangelnder Zahlungsfähigkeit kann als Betrug strafbar, die Wechselverbindlichkeit wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein. (Man beachte das ´kann´! Die Ware ist weg und Geld bekommt man keins.)

Durch die stufenweise Warenproduktion (in verschiedenen Produktionsschritten) und dem mehrfachen Verpfänden der Zwischenprodukte als Sicherheit für einen gezogenen Handelswechsel kommt es zu einem kumulierten Anwachsen der Wechselsumme, was ebenfalls als Wechselreiterei bezeichnet wird.

Historisches

„Warschau machte im 18. Jh ein großes Wechselgeschäft, das aber hauptsächlich den Wucher seiner Bankiers zum Grunde und zur Absicht hatte. Um sich Geld zu verschaffen, welches sie den verschwenderischen Großen zu 8 und zu mehr Prozent leihen konnten, suchten und fanden sie außer Landes einen Wechselkredit in Blanco, d.h. der gar keinen Warenhandel zu Grunde hatte, welchen der ausländische Trassat aber so lange geduldig akzeptierte, als noch die durch Wechselreiterei erschaffnen Rimessen nicht ausblieben. Dafür haben diese durch die Bankrotte eines Tepper und andrer groß- geachteter Warschauer Bankiers schwer gebüßt.“ G. G. Büsch: Theoretisch-praktische Darstellung der Handlung etc., 3. Auflage, Hamburg 1808, Band II, p. 232, zit in KM3, S. 624
„Das Vorschießen der Industriellen und Kaufleute untereinander verquickt sich mit dem Vorschießen des Geldes an sie seitens der Bankiers und Geldverleiher. Beim Diskontieren der Wechsel ist der Vorschuß nur nominell. Ein Fabrikant verkauft sein Produkt gegen Wechsel und diskontiert diesen Wechsel bei einem bill-broker. In der Tat schießt dieser nur den Kredit seines Bankiers vor, der ihm wieder das Geldkapital seiner Depositoren vorschießt, die gebildet werden von den Industriellen und Kaufleuten selbst, aber auch von Arbeitern (vermittelst Sparbanken), von Grundrentnern und den sonstigen unproduktiven Klassen. So wird für jeden individuellen Fabrikanten oder Kaufmann sowohl die Notwendigkeit eines starken Reservekapitals umgangen, wie die Abhängigkeit von den wirklichen Rückflüssen. Andrerseits aber kompliziert sich teils durch einfache Wechselreiterei, teils durch Warengeschäfte zum Zweck der bloßen Wechselfabrikation der ganze Prozeß so sehr, daß der Schein eines sehr soliden Geschäfts und flotter Rückflüsse noch ruhig fortexistieren kann, nachdem die Rückflüsse in der Tat schon längst nur noch auf Kosten teils geprellter Geldverleiher, teils geprellter Produzenten gemacht worden sind. Daher scheint immer das Geschäft fast übertrieben gesund gerade unmittelbar vor dem Krach. Den besten Beweis liefern z.B. die „Reports on Bank Acts“ von 1857 und 1858, wo alle Bankdirektoren, Kaufleute, kurz alle vorgeladnen Sachverständigen, an ihrer Spitze Lord Overstone, sich wechselseitig Glück wünschten über die Blüte und Gesundheit des Geschäfts – genau einen Monat bevor die Krise im August 1857 ausbrach. Und sonderbarerweise macht Tooke in seiner „History of Prices“ diese Illusion noch einmal als Geschichtsschreiber jeder Krise durch. Das Geschäft ist immer kerngesund und die Kampagne im gedeihlichsten Fortgang, bis auf einmal der Zusammenbruch erfolgt.“ KM3, S.501ff
„Die Direktoren der Noten emittierenden Bank of England waren im Gegensatz zu den Bullionisten (siehe 1810 Bullion-Report) der Ansicht, daß ungedeckte Banknoten durchaus wertstabil seien, wenn sie durch die Hereinnahme guter Handelswechsel in den Verkehr gebracht werden. Nach den Doktrin von Adam Smith (1723 – 1790) befriedige die so gestaltete Notenemission lediglich den Zahlungsmittelbedarf der Wirtschaft und stelle keineswegs eine Inflationsgefahr dar. Die Bullionisten verwiesen auf die Schwierigkeit, daß man es dem Wechsel nicht ansehe, ob ihm wirklich nur der einmalige Verkauf einer Ware zu Grunde liege. Wenn die Ware durch mehrer Hände gehe, könne nicht ausgeschlossen werden, daß das daraus resultierende Wechselvolumen den Warenwert weit übertreffe.“ FH, S.7
Kommentierung: Notieren Sie bitte einmal Ihr Körpergewicht auf einen Zettel. Hat der Zettel jetzt das gleiche Gewicht wie sie? Jeder Mensch begreift, daß eine Notiz etwas anderes ist als das reale Gewicht, welche die Notiz ausdrückt (repräsentiert). Jeder Mensch weiß auch, daß der Zettel etwas anderes ist als die Person, dessen Gewicht dort drauf steht. Übernehmen wir diese leicht nachvollziehbare Erkenntnis mal auf die Banknoten. Die Bank notiert auf irgenden Stück Papier den Produktwert einer Warenmenge, z.B. 10 Stunden für 10 qm Leinwand. Hat sich dadurch der Wert der Leinwand erhöht? Meiner Meinung nach nicht. In der Aufzeichnung (Notierung, Niederschrift) des Produktwertes der Leinwand auf den Zettel steckt zwar auch eine gewisse Arbeitszeit, so daß auch der Zettel (der in den Augen der Bänker eine Banknote ist) auch einen Produktwert hat. Dieser ist aber viel geringer als die 10 h Arbeitszeit, welche in der Leinwand stecken und dürfte je nach Papierqualität und Schreibgeschwindigkeit so 5 bis 10 Sekunden betragen. Die Bankdirektoren haben also durchaus recht, wenn sie behaupten, daß der Wert ihrer Banknote stabil sei. Es ist nur die Frage, von welcher Größe sie sprechen. Die Hereinnahme eines ´guten Wechsels´ bedeutet, daß das Eigentum an der Ware auf den Aussteller des Wechsels übergeht. Die Bankdirektoren bekommen also eine Ware mit einem Produktwert von 10 Stunden und geben dem Produzenten dafür eine Ware (Banknote) im Wert von 5 Sekunden. So kommen die Bänker zu ihrem Wohlstand und für den Produzenten gilt: Eingebüßt ist eben auch gehandelt.

Beispiel

Der Leinwandfabrikant nimmt den Wechsel (also ein Stück Papier auf dem irgendeine Zahl steht) und geht damit zu einem Baumwollhändler, wo er ihn gegen 5 kg Baumwolle eintauscht. Liegt dem Wechsel nun der zweimalige Verkauf einer Ware zu Grunde? Meiner Meinung nach nicht: zu Grunde liegt ihm die einmalige Abtretung von 10 qm Leinwand. Er kann aber nun mehrfach gegen andere Waren getauscht werden. Erhöht sich dadurch dessen Wert? Meiner Meinung nach nicht, denn sein Produktwert beträgt nach wie vor 5 Sekunden. Nur der Betrogene ist jetzt ein anderer. War es beim ersten mal der Leinwandfabrikant, so ist es nun der Baumwollhändler. Ändert sich durch die Weitergabe des Wechsels etwas am Wechselvolumen? Meiner Meinung nach nicht, denn es handelt sich nach wie vor um ein und denselben Wechsel. Nur die Spekulanten spekulieren jetzt sowohl auf die 10 qm Leinwand als auch auf die 5 kg Baumwolle. Die ganze Finanzbranche beruht auf der Unwissenheit der produzierenden Klasse über Mengen und Eigenschaften. Ihr wurde halt nie der Unterschied zwischen Geldmenge und Geldwert beigebracht. ´Wechselvolumen´ suggeriert eine Größe, weil das räumliche Volumen eine Größe ist. Die Ökonomen meinen mit ´Wechselvolumen´ aber nicht die räumliche Ausdehnung eines Stück Papier, sondern die Summe dessen, was darauf geschrieben steht: z.B. 100 Pfund oder 100 Euro. Das was darauf geschrieben steht ist aber nicht das Gleiche wie der Papierzettel (von den Bänkern auch Wechsel genannt). Außerdem sind Pfund oder Euro als Geld eine Mengeneinheit und können dadurch keine Größe sein. Das zu Begreifen, fällt selbst einem Wirtschaftsprofessor schwer.