Merkantilismus

historische Querverweise

1500 Geldtheorie des N Kopernikus
1571 – 1641 Thomas Mun (Kaufmann und Direktor der Ostindischen Handelskompanie)
1615 Traité d’économie politique
1724 „Buch über Armut und Reichtum“ von I.T. Possoschkow
1767 An inquiry into political oeconomy von James Steuart
1776 Wealth of Nation

historischer Rückblick

Als Merkantilismus bezeichnet man eine ökonomische Sichtweise der Bourgeoisie, welche die ökonomischen Anschauungen der feudalistischen Ideologen entlarvte und zur Durchsetzung der kapitalistischen Verhältnisse in der damaligen Zeit diente. Die Entstehung des Kapitalismus fällt in das 16. Jh. In dieser Zeit herrschte das Kapital in Form des Handels- und Wucherkapitals (also des Geldkapitals) in der ökonomischen Sphäre des Austausches. In der Produktion machte es gerade seine ersten Schritte, indem es zum Aufbau von Manufakturen eingesetzt wurde. Die Merkantilisten stellten die Frage nach dem Reichtum eines Landes, nach den Formen des Reichtums und suchten nach Wegen, den Reichtum zu vermehren. In ihren Auffassungen gingen die Merkantilisten von jener Sphäre aus, in der das Kapital bislang eingesetzt wurde: dem Austausch. Sie konzentrierten sich nicht auf die Produktion von Gütern und Waren, sondern auf den Handel und den Geldumlauf, also die Bewegung von Gold und Silber, welches damals als Geld verwendet wurde. Gold und Silber waren für sie der einzig wahre Reichtum, so daß sie danach trachteten, so viel Gold und Silber wie möglich ins Land zu ziehen und so wenig wie möglich davon für den Import von Waren aus anderen Nationen auszugeben. Die Mittel dazu waren Versklavung rückständiger Völker, koloniale Ausbeutung, Handelskriege (Erhebung von Zöllen auf Importwaren, Ausfuhrprämien für Exportwaren).

Nach der Eroberung Amerikas ergoß sich ein Strom von Edelmetallen nach Europa.

Hauptartikel

„Im Merkantilsystem geht man davon aus, daß sich der Wert in Geld darstellt (Gold und Silber) und der Mehrwert daher in der Handelsbilanz, die mit Geld saldiert wird, sich ausdrückt.“ KM in MEW26.1,S.11,Fn*

Kommentar: Marx verwechselt wieder Eigenschaft mit Menge. IE, 2020

„Weiterentwicklung des Monetarsystems. Es sieht nicht mehr die Anhäufung von Geld (= Schatzbildung, Geld hier noch in Form von Edelmetallen) als Ziel ökonomischer Tätigkeit an, sondern den Mehrwert in Gestalt des Profits aus dem Handel. Die Analyse der Produktionsverhältnisse bleibt damit auf die Sphäre der Zirkulation beschränkt.“ Q: DHM, S. 39

Der im Gegensatz zum Monetärsystem schon etwas weiter entwickelten Theorie des Merkantilismus liegt der Gedanke zugrunde, daß der Ware W zwischen den beiden Vorgängen GW plus WG+ noch Produktwert durch einen wie auch immer gearteten Produktions- oder Transportprozeß hinzugefügt wird und somit im zweiten Akt für einen höheren Preis als im ersten Akt verkauft wird. Im Merkantilsystem wird also nicht nur die Warenzirkulation untersucht, sondern die Warenproduktion erscheint als notwendiges Element. Genau wie G-W-G‘ geht aber auch sie vom Kaufen als ersten Akt aus und verdrängt damit die Produktion in die Nebenrolle. IE2012 n KM2, S.66

„Der zentrale Punkt des ganzen Merkantilsystem ist die Theorie von der Handelsbilanz. Da man nämlich an der Meinung festhielt, daß Gold und Silber der Reichtum sei, hielt man nur jene Geschäfte für vorteilbringend, die am Ende bares Gold ins Land brachten. Um dies ausfindig zu machen, verglich man die Erlöse der Ausfuhr mit den Kosten der Einfuhr. Hatte man mehr Waren aus- als eingeführt, so glaubte man, daß die Differenz in barem Golde ins Land gekommen sei und hielt sich um diese Differenz reicher.“

Hier liegt der Hase im Pfeffer begraben: man kann Warenmengen nicht miteinander vergleichen (siehe Inkomparabilität unterschiedlicher Mengen in der KonsIkon). Ein ´mehr´ oder weniger kann es deshalb gar nicht geben!

„Die Kunst der Ökonomen bestand also darin, dafür zu sorgen, daß am Ende jedes Jahres die Ausfuhr eine günstige Goldbilanz gegen die Einfuhr gebe.“ (Siehe die Aussagen von Bänkern der Bank of England im parlametarischen Untersuchungsausschuß, zitiert in KM: Das Kapital, Bd 3, S. 535.)

„Bei der Erzeugung des Mehrwerts geht der Merkantilismus von dem begrifflosen Standpunkt der Zirkulationssphäre aus, wo sich der Mehrwert als Surplusprofit, als Überschuß in der Handelsbilanz darstellt.“ KM: Das Kapital, Bd 3, S. 793
„Der zunächst nationale Charakter des Merkantilismus … erklärt die Bereicherung für den letzten Staatszweck und proklamiert die bürgerliche Gesellschaft gegenüber dem alten überirdischen (feudalen) Staat.“ KM: Das Kapital, Bd 3, S. 793
„Der Merkantilismus mit seinem groben Realismus ist die eigentliche Vulgärökonomie seiner Zeit.“ KM: Das Kapital, Bd 3, S. 792

nationale Charakter des Merkantilismus

„Die merkantilistischen Theorien der englischen Bourgeoisie drückten der englischen Handels- und Kolonialpolitik bis tief ins 18. Jh ihren Stempel auf und trugen zur Vermehrung des Landesreichtums auf Kosten anderer Völker bei. Über die sogenannten aktiven Handelsbilanzen versuchte man, die nationale Entwicklung kräftig zu unterstützen.“ [P Thal in Einf zu Reichtum der Nationen, S.XIV]

„Der nationale Charakter des Merkantilsystems ist daher nicht bloße Phrase im Munde seiner Wortführer. Unter dem Vorwand, sich nur mit dem Reichtum der Nation und den Hilfsquellen des Staats zu beschäftigen, erklären sie in der Tat die Interessen der Kapitalistenklasse und die Bereicherung überhaupt für den letzten Staatszweck und proklamieren die bürgerliche Gesellschaft gegen den alten überirdischen (feudalen) Staat. Aber zugleich ist das Bewußtsein vorhanden, daß die Entwicklung der Interessen des Kapitals und der Kapitalistenklasse, der kapitalistischen Produktion, die Basis der nationalen Macht und des nationalen Übergewichts in der modernen Gesellschaft geworden ist.“ KM: Das Kapital, Bd 3, S. 793

„Der habgierige Charakter des Handels wurde durch das Merkantilsystem etwas versteckt; die Nationen rückten sich etwas näher, sie schlossen Handels- und Freundschaftstraktate, sie machten gegenseitig Geschäfte und taten sich einander alles mögliche Liebe und Gute an, um des beiderseitig größern Gewinns willen. Aber im Grunde war es doch die alte Geldgier und Selbstsucht, und diese brach von Zeit zu Zeit in den Kriegen aus, die in jener Periode alle auf Handelseifersucht beruhten. In diesen Kriegen zeigte es sich auch, daß der Handel, wie der Raub, auf dem Faustrecht beruhen; man machte sich gar kein Gewissen daraus, durch List oder Gewalt solche Traktate zu erpressen, wie man sie für die günstigsten hielt.
Um den Willen der Goldbilanz wurden Tausende von Menschen in Kriegen geschlachtet! Der Handel hat genauso seine Kreuzzüge und Inquisition aufzuweisen wie die Religion.“ Q: FE in Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie

Ablösung des Merkantilismus

„Die allmähliche Überwindung des Merkantilismus entsprach den Interessen der Bourgeoisie. Der Merkantilismus stand der ungehemmten Ausbeutung der Arbeiter im Wege und wurde durch Thesen ersetzt, die eine objektive, gewissermaßen naturgesetzlich geregelte Weiterentwicklung der Wirtschaft behaupteten. Man wandte sich gegen vorhandene Zunftprivilegien und alle Vorrechte, welche die Bourgeoisie in ihrer typischen Akkumulation störten und knüpfte dabei ganz bewußt an das in der bürgerlichen Philosophie entwickelte Postulat der Freiheit des Individuums an.“ [P Thal in Einf zu Reichtum der Nationen, S.XV] „Adam Smith stellte schon 1763 den Grundsatz der wirtschaftlichen Freiheit im Widerspruch gegen den Merkantilismus auf.“ [ebenda, S.XIX] „Smith überwindet den Merkantilismus mit seinem Hauptwerk ´Wealt of Nations´ endgültig. Dadurch wurde das 1767 erschienene Werk ´An inquiry into political oeconomy´ des damals führenden Ökonomen James Steuart zur gesellschaftlichen Wirkungslosigkeit verdammt.“ [ebenda, S.XXIX] „Von hier aus, war es nur noch ein kleiner Schritt bis zum ökonomischen Liberalismus.“ [ebenda, S.XX]

Die Weiterentwicklung des Merkantilismus ist die Physiokratie. DHM, S. 39

Querverweise

Nationalökonomie
wirtschaftliche Entwicklung Englands