Physiokratie

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Die Physiokratie (oder der Physiokratismus) ist die Weiterentwicklung des Merkantilismus. Q: DHM, S. 39

Etymologische Herkunft des Begriffes

griechisch physio = Natur + griechisch krat = Herrschaft

Führende Vertreter

1694 – 1774 Francois Quesnay
Anne Robert Jaques Turgot.
Nachfolger Adam Smith

Hauptartikel

„Laissez faire, laissez aller = Laßt machen, laßt gehen. Schlachtruf der Physiokraten, der die Forderung nach unbeschränkter wirtschaftlicher Freiheit ausdrückt. Das Wirtschaftsleben wird nach Auffassung der Physiokraten von natürlichen Gesetzen geregelt, weshalb sich der Staat jeglicher Einmischung in wirtschaftliche Vorgänge und ihrer Reglementierung enthalten müsse; sein Eingreifen durch beschränkende Vorschriften sei nutzlos und schädlich. Diese Forderung nach einer liberalen Wirtschaftspolitik des Staates entspricht den Interessen der Kapitalisten.“ KM, MEW26.1

„Die Physiokratie ist eine französische Schule der Ökonomie, deren Hauptschaffensperiode in das 3. Viertel des 18. Jh fällt und somit als direkte ideologische Vorbereitung der französischen bürgerlichen Revolution von 1789 zu werten sind. In dieser Zeit ging bereits eine beträchtliche kapitalistische Entwicklung in Frankreich vor sich, auf deren Grundlage die französische Bourgeoisie zum Sturm auf die weltliche und klerikale Macht des Feudaladels ansetzte. Die Physiokraten blieben aufgrund ihrer engen Liierung mit dem französischen Hof zum Teil noch selbst in der feudalen Gedankenwelt gefangen, vertraten dem Wesen nach aber schon bürgerliche Ansichten.“ P Thal in Einf zu Reichtum der Nationen, 1.Bd, S.XXI

„Die Physiokraten haben als erste versucht, die Gesetzmäßigkeiten der wirtschaftlichen Entwicklung vom Standpunkt der Produktion aus zu erklären. Zwar haben die französischen Physiokraten ausschließlich die landwirtschaftiche Arbeit als produktiv angesehen, aber sie verlagerten damit die Quelle des Wertes eindeutig in die Sphäre der Produktion und nicht in die Zirkulation, die für die englischen Ökonomen aufgrund des dort viel weiter entwickelten Außenhandels eine zentrale Stellung einnahm.“ P Thal in Einf zu Reichtum der Nationen, 1.Bd, S.XXIII

Leider wird bis in die heutige Ökonomie nicht zwischen Produktwert und Tauschwert unterschieden. Der Produktwert entsteht eben in der Produktion und der Tauschwert kommt erst im Austausch zweier Ware zum Vorschein. Beide Sphären sind also völlig gleichberechtigt.

Die Physiokraten fassen den Arbeitsprozeß (also die Produktion materieller Güter zur Befriedigung individueller und gesellschaftlicher Bedürfnisse) als eine physiologische Form der Gesellschaft auf. Die Physiologie ist in der heutigen Zeit (2018) eine Wissenschaftsdisziplin, die sich mit den Lebensvorgängen in den Zellen, Geweben und Organen aller Lebewesen beschäftigt. Sie bezieht das Zusammenwirken aller physikalischen, chemischen und biochemischen Vorgänge im gesamten Organismus in ihre Betrachtung ein. Man könnte sagen, daß die Physiologie die Lehre vom Stoffwechsel eines Organismus ist und diese Deutung auf die ökonomischen Auslegungen der Physiokraten übertragen. Für die Physiokraten war die Produktion, Konsumtion und Akkumulation von materiellen Gütern ein Stoffwechsel der menschlichen Gesellschaft mit der Natur. KM in MEW 26.1, S.12, mod IE, 2018

„Die Physiokraten beginnen, die Produktionssphäre in den Mittelpunkt der Analyse zu stellen. Als einzige, Mehrwert produzierende Tätigkeit wird nur die Landwirtschaft (= Agrikultur) angesehen.“ Q: DHM, S. 39
„Die Physiokraten sind in der Tat die ersten Dolmetscher des Kapitals, welche versuchen, die Natur des Mehrwerts zu analysieren. Die Analyse des Mehrwerts fällt für sie mit der Analyse der Rente (Grundrente, Bodenrente, Bergwerksrente, …) zusammen – der einzigen Form, worin für sie der Mehrwert überhaupt existiert.“ KM: Das Kapital, Bd 3, S. 792
„Ökonomische Stilrichtung, welche Geldvorschüsse (avances) als Kapital bezeichnen.“ KM2, S.221

|12| Die Physiokraten verstehen unter den ökonomischen Sphären der Produktion, des Austauschs (aufgrund von Arbeitsteilung und Spezialisierung), der Konsumtion und der Akkumulation die physiologischen Wirtschaftsformen einer Gesellschaft. Diese Sphären sind quasi eine natürliche Notwendigkeit einer Gesellschaft. Ihr Verdienst ist es, die Elemente des Produktionsprozesses, wie Rohstoffe und Produktionsmittel (Werkzeuge, Instrumente) analysiert zu haben. Diese Elemente bezeichnen die Physiokraten als Produktions- oder fixes Kapital (capital fixe). Außer der Analyse des Produktionskapitals untersuchen die Physiokraten die Formen, welche Formen das Kapital während des Austausches, bzw. in der Sphäre Zirkulation annimmt. Die Zirkulation des Geldes ist nur ein Erscheinungsform in der Sphäre des Austausches der Waren. Die Mittel zum Austausch nennen die Physiokraten zirkulierendes Kapital (capital circulant).|13|

Die Physiokraten gehen von der Urproduktion des Menschen aus: der Landwirtschaft (oder auch Agrikultur). Die Summe der Lebensmittel, die ein Bauer jahrein, jahraus produziert ist größer als die Menge, die er selber konsumiert.

In der Manufaktur (Fabrik oder Industrieproduktion) sieht man den Arbeiter weder seine direkten Lebensmittel noch den Überschuß über seine Existenzmittel produzieren. Der ganze gewerbliche oder industrielle Produktionsprozeß ist von vornherein durch Kauf und Verkauf geprägt.

Der Bauer produziert mehr Lebensmittel, als er selber braucht. Den Überschuß eignet sich aber der Grundbesitzer an. Der Bauer arbeitet also länger, als die zu seiner Reproduktion notwendigen Arbeitszeit und stellt in dieser Zeit Produkte her, die für andere einen Gebrauchswert haben.

„Grundlage der kapitalistischen Produktion ist das Privateigentum an den Produktionsmitteln in der Hand des/der Kapitalisten. Da auch die Arbeiter die Produktionsmittel hergestellt haben, erhebt sich die entscheidende Frage, wie sich die Kapitalisten die Produktionsmittel angeeignet hat? Wie kann es sein, daß sich ganze Fabriken samt Maschinen und Inventar, für die vielleicht tausende von Menschen gearbeitet haben, in der Hand einer weniger Menschen befindet? Die Arbeiter haben sowohl die Produktionsmittel als auch die Produkte durch ihre Arbeit hergestellt – wie kommt es dann, daß sie am Ende ihres Arbeitslebens immer noch Miete an den Hausbesitzer bezahlen, der vielleicht sein ganzes Leben keinen Finger krumm gemacht hat? Sind vielleicht die ganzen Werttheorien der Ökonomen falsch? Ist die Arbeitskraft des Arbeiters, oder sein Arbeitsvermögen, vielleicht gar keine Ware, die er verkaufen muß?

Die Physiokraten haben den Fehler begangen, den Wert eines Produktes auf jene Arbeitszeit zu reduzieren, die zur Produktion der Existenzmittel des Arbeiters notwendig ist. Ob sie diesen Wert gleich dem Preis setzen, den ein Arbeiter braucht um sein Leben zu fristen, oder ob das eine Verwechslung von Marx ist, ist mir zum gegenwärtigen Zeitpunkt (MEW26.1,S.13) noch unklar. Die Aussage von Marx: „Das Minimum des Salairs bildet daher die Achse der physiokratischen Lehre.“ KM, MEW26.1,S.13 scheint darauf hinzudeuten. Mit der Gleichsetzung von Wert und Preis würden die Physiokraten den gleichen Kategorienfehler wie alle anderen Ökonomen begehen.

Der Wert eines Produktes ist gleich die Summe der zu Herstellung notwendigen Arbeitszeit – und das was er am Monatsende dafür bekommt, hat einen viel geringeren Produktwert als das, was er in diesem Monat geschaffen hat. Nur auf Grundlage des produktwertinäquivalenten Austausches Arbeitsprodukt D Lohn (respektive Existenzmittel) kommt es zu der Differenz im Eigentum zwischen Arbeiter und Kapitalist.“

Querverweise: Wörterbuch Adam Smith, Physiokratie

Querverweise

Mehrwert-Definition der Physiokraten (siehe Artikel Mehrwert)