Erkenntnis

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Erkenntnis ist das Ergebnis eines Prozesses. Diesen Prozeß nennen wir auch Erkenntnisprozeß.

Erkenntnisprozeß

Problem → Problemlösung → Sinnesorgan → Sinneseindruck (= Wahrnehmung) → Erfahrung → Kenntnis (= sinnliche erKenntnis) → Erkenntnis (= rationale Verarbeitung von Kenntnissen) → Wissen.
Ausbildung (Lehre und Unterricht) führen zu → Kenntnissen, diese zu → Erkenntnissen.
Die Erkenntnis der Natur durch den Menschen ist ein Prozeß, der sogenannte Erkenntnisprozeß. IE, 2006
Im Erkenntnisprozeß durchdringen sich die beiden gedanklichen Verfahren von Analyse und Synthese. Dial+Hist Materialismus, 3. Aufl, S. 298 siehe dazu auch F Engels, Anti-Dühring, S. 20
Ohne Analyse keine Synthese. Bei der Analyse des Ganzen muß man der F historischen Untersuchung die logische anfügen. Dial+Hist Materialismus, 3. Aufl, S. 305
Der Materialismus behauptet: Die Welt ist erkennbar! Die Menschen sind imstande, die objektive Realität zu erkennen, und sich durch Vorstellungen oder sprachliche Begriffe ein Spiegelbild von der objektiven Realität in ihrem Bewußtsein zu erzeugen. Das ist die Antwort auf die philosophische Grundfrage nach der Identität von Denken und Sein.
Das lebendige Gespräch ist für die Erkenntnis wichtiger als die Unterrichtung durch einen Lehrer. Der Dialog ist eine bessere Form der Erkenntnis als der Monolog. Platon

Momente des Erkenntnisprozesses

Sinnliche Wahrnehmung des Ganzen → gedankliche Analyse →“ gedankliche Abstraktion → (Modellbildung) → gedankliche Synthese (= Konkretisierung) → Konkrete

Abstraktion + Konkretisierung

Eine Methode der Erkenntnisgewinnung ist die Methode des Aufsteigens vom Abstrakten (Teil) zum Konkreten (= Ganzen). Das Ganze kann man ohne die Kenntnis seiner Teile nicht erkennen. Die Teile des Ganzen arbeit man durch die Analyse heraus. Dial+Hist Materialismus, 3. Aufl, S. 302 ff

Aphorismen

Der Erkenntnisprozeß der Menschheit gleicht mehr den Irrfahrten des Odysseus, den Höhlenwanderungen eines Dante oder den Sturmfahrten des Dr. Faust. H Seidel: Von Thales bis Plato

Hauptartikel

Die wahre Erkenntnis muß von innen kommen. Sie kann einem nicht von anderen aufgepfropft werden. Nur die Erkenntnis die von innen kommt, ist wirkliche Einsicht. Sokrates
Es können nur jene Dinge in Raum und Zeit erkannt werden, welche in einem Ursache-Wirkungs-Verhältnis zu einander stehen. I Kant: Kritik der reinen Vernunft
Die Kenntnis von den Dingen ist noch keineswegs deren Erkenntnis. Die Erkenntnis wird erst möglich, wenn sie auf den Erkenntnissen der Logik beruht (wenn die Kenntnisse nach den Gesetzen der Logik verknüpft werden und das Resultat anhand der Realität überprüft wird). Heraklit. Erkenntnis ist etwas anderes als Kenntnis und unter Umständen mehr Wert als hunderte von Kenntnissen. Hans Kasper
Erkenntnisse bestehen aus zwei Teilen: dem einen, den man niederschreibt und aus alle dem anderen, was dazwischen liegt. Um den ersten Teil zu verstehen, ist der zweite Teil meistens viel wichtiger. Ludwig Wittgenstein, 1919 im in einem Brief über sein Werk Tractatus Philosophicum
Eine Erkenntnis ist nur dann konkret, wenn sie den zu beschreibenden Gegenstand (Sachverhalt) als Ganzes (nicht nur seine Teile) reproduziert; wenn sie die vielen Eigenschaften, Aspekte, …, Zusammenhänge erfaßt, wobei die gedankliche Reproduktion die objektive Realität adäquat widerspiegeln (darstellen) muß. Dial+Hist Materialismus, 3. Aufl, S. 304
Mögliche Formen der Erkenntnis sind die Metaphysik, der Rationalismus, die Empirie, der Skeptizismus.
Das Fundament der Erkenntnis ist die eigene Anschauung. Johann Heinrich Pestalozzi

Der gesellschaftliche Charakter der Erkenntnis

Da man aber auch nur mit Hilfe meiner sprachlichen Strukturen denken sowie die Welt erfassen, abbilden und analysieren kann, ist der Erkenntnisprozeß, auch wenn er von einzelnen Individuen maßgeblich voran gebracht wird, ein gesellschaftlicher Prozeß. Der Erkenntnisprozeß setzt die Kommunikation in Form der Sprache voraus, somit ist auch das Subjekt des Erkenntnisprozesses nicht ein einzelner Mensch oder die bloße Summe der Individuen, sondern der gesellschaftliche Mensch mit seinem historisch bedingten Erkenntnisvermögen und Wissensstand.
Die menschliche Erkenntnisfähigkeit bildete sich mit der Entstehung von Gesellschaften heraus und entwickelte sich in Abhängigkeit von ihnen.

Der historische Charakter der Erkenntnis (deren retrospektive Richtung)

Das Nachdenken über die Formen (Verhältnisse) des menschlichen Lebens, also auch ihre wissenschaftliche Analyse, geht dem Weg der Entwicklung wieder rückwärts (schlägt einen der Entwicklung entgegengesetzten Weg ein). Die Analyse beginnt bei einem bestimmten Punkt des Entwicklungsprozesses und verfolgt die Ursachen-Wirkungskette eines Sachverhaltes rückwärts, geht also von der Wirkung zurück zur Ursache. K Marx: Das Kapital, S. 91
Die menschliche Erkenntnisfähigkeit ist ein Prozeß und hat somit einen historischen Charakter. Sie bildete sich mit der Entstehung von Gesellschaften heraus und entwickelte sich in Abhängigkeit von ihnen.

sinnliche Erkenntnis = Wahrnehmung

Problem “ Problemlösung “ Sinnesorgan “ Sinneseindruck (= Wahrnehmung) → Erfahrung → Kenntnis (= sinnliche Erkenntnis) → Erkenntnis (= rationale Verarbeitung von Kenntnissen) → Wissen.
Wahrnehmung ist die Umwandlung der Realität in Impulsfolgen durch die Sinnesorgane, die Speicherung der Impulsfolgen im Gehirn, die Zuordnung von Begriffen und das Vergleichen erneuter Impulsfolgen mit bereits gespeicherten. IE, 2004
Die sinnliche Erkenntnis ist die Abbildung (Widerspieglung) der objektiven Realität mittels der Sinnesorgane in unserem Gehirn. Dial+Hist Materialismus, 3. Aufl, S. 272
Siehe auch „Die Dialektik von Wahrnehmung und Ratio“
Synonym: Sensualismus

rationale Erkenntnis

Problem “ Problemlösung “ Sinnesorgan “ Sinneseindruck (= Wahrnehmung) → Erfahrung → Kenntnis (= sinnliche Erkenntnis) → Erkenntnis (= rationale Verarbeitung von Kenntnissen) → Wissen.
Siehe auch „Die Dialektik von Wahrnehmung und Ratio“

Die Dialektik von Wahrnehmung und Ratio

Sowohl der Sensualismus als auch der Rationalismus vermochten es nicht, die dialektische Einheit beider Seiten im Erkenntnisprozeß zu erfassen. Dies gelang erst dem dialektischen Materialismus. DHM, S. 273
Im Erkenntnisprozeß des Menschen ist die Natur die alles Gebende, der Mensch kann diese nur mittels seiner Sinnesorgane empfangen Goethe (siehe sinnliche Erkenntnis) und mit Hilfe seines Gehirns verarbeiten (siehe rationale Erkenntnis). IE, 2006
Wahrnehmung ist die Umwandlung der Realität in Impulsfolgen durch die Sinnesorgane, die Speicherung der Impulsfolgen im Gehirn, die Zuordnung von Begriffen und das Vergleichen erneuter Impulsfolgen mit bereits gespeicherten. IE, 2004
Die sinnliche Wahrnehmung der Realität geht beim Menschen immer mit der rationalen Tätigkeit des Denkens einher. Die begriffliche Zuordnung eines runden Gegenstandes mit einem Stil und einer Blüte in der Kiste eines Gemüseladens zu der Begriffsmenge „Apfel“ ist nur ein Beispiel für die dialektische Einheit des Erkenntnisprozesses. Die Wahrnehmung erfolgt über das Sinnesorgan „Auge“, die Zuordnung zu der Begriffsmenge über den Verstand.
In Bezug auf den Erkenntnisprozeß widerspiegeln die Kategorien Erscheinung und Wesen verschiedene Stufen beim geistigen erfassen der Objekte und ihren Wechselwirkungen. Für den Erkenntnisprozeß ist es typisch, daß er von den äußeren Aspekten der Gegenstände und ihren Beziehungen zu deren inneren Aspekten voranschreitet. Der Erkenntnisprozeß erweist sich als mehrstufiger Prozeß, der bei einzelnen Erscheinungen beginnt und zu einem immer tieferen Wesen voranschreitet. Das menschliche Denken vertieft sich von der äußeren Erscheinungen zum Wesen. Vom Wesen erster Ordnung, zum Wesen zweiter Ordnung usw.
Vom lebendigen Anschauen zum abstrakten Denken und von diesem zur Praxis – das ist der dialektische Weg der Erkenntnis der Wahrheit, der Erkenntnis der objektiven Realität. WI Lenin: Aus dem philosophischen Nachlaß, Dietz Verlag, Berlin 1958

ERKENNE DICH SELBST!

lautet die Inschrift auf einem Tempel in Delphi, in dem eine Priesterin sog Orakel durchführte.
Die Naturphilosophen stellten einander widersprechende Behauptungen vom Urgrund aller Dinge auf. Hätte Thales recht, dann würde Heraklit irren, hätte Heraklit recht, dann würde Thales irren. Daraus schloß Sokrates, das wir nicht imstande sind, die Wahrheit über die Natur zu erkennen und forderte deshalb: Erkenne dich selbst!

Warum sollte man nach Erkenntnis streben?

…, weil das schlimmste, was uns passieren kann, ist, daß wir uns an die Rätsel der Natur gewöhnen, sie hinnehmen und nicht mehr hinterfragen, daß wir träge und gleichgültig werden, daß uns die Dinge des Alltags mehr interessieren als die Unbegreiflichkeit der Natur.
Was der Mensch weiß, braucht er nicht zu glauben. Er glaubt nur, was er nicht sicher weiß. Arthur Schopenhauer.
Wer nicht von dreitausend Jahren weiß Sich Rechenschaft zu geben, Bleib im Dunkeln unerfahren, Mag von Tag zu Tage leben. Goethe?
Der heutige Tag ist ein Resultat des gestrigen. Was dieser gewollt hat, müssen wir erforschen, wenn wir zu wissen wünschen, was jener (der kommende) will.

Unterschied zwischen theoretischer und praktischer Erkenntnis

Frage: Was ist Freundschaft? Antwort: Parakleios ist ein Freund. Der Antwortende gibt das Ergebnis einer logischen Operation wider, aber nicht die Antwort auf die Frage. Der Antwortende überprüft die Eigenschaften des Parakleios mit den Inhalten des Begriffes Freundschaft. Ist das Ergebnis dieser logischen Operationen „wahr“, dann ist Parakleios ein Freund, ist es „falsch“, so ist Parakleios kein Freund. Über die Inhalte des Begriffes Freundschaft ist sich der Antwortende aber nicht so recht im klaren (sie sind ihm nicht bewußt;sie sind nicht in seinem Bewußtsein, sondern in seinem Unterbewußtsein). Das Ergebnis der logischen Operation ist die praktische Erkenntnis (die praktische Wirklichkeit); das Erkennen der Begriffsinhalte die theoretische Erkenntnis (die theoretische Wirklichkeit).

Gang aller Erkenntnis

Ich studierte die große und die kleine Welt, Die hohe Wissenschaft ist leicht zu fassen: Erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält. Vergebens hab ich alle Schätze des Menschengeist herbei gerafft, wenn ich mich am Ende niedersetze, quillt innerlich keine neue Kraft. Ich bin um kein Haar weiter oder höher, Ich bin dem Unendlichen kein Stück nicht näher. Warum tut die Freude so schnell versiegen, mein Denken im ew´gen Dunstkreis liegen? Oh, glücklich, wer noch hoffen kann, aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen. Was man nicht weiß, das eben bräuchte man, und was man weiß, das kann man nicht brauchen. Drum muß man es am Ende gehen lassen, So – Wie es Gott gefällt. JW Goethe im Faust
Wer das Lebendige erkennen und beschreiben will, versuche zuvor den Geist hinauszutreiben. Dann hat er die Teile in der Hand, nur fehlt ihm dann das geist´ge Band. Goethe: Faust, S. 63

Sinnlosigkeit des Streben nach Erkenntnis

Ich wollte herausfinden, was für einen Sinn alles hat, was in der Welt geschieht. Doch was ist das für eine fruchtlose Beschäftigung! Gott hat sie den Menschen gegeben, damit sie sich mit ihr plagen. […] Doch als ich darüber nachdachte, was das alles (Weisheit und Erkenntnis) wert ist und was der Weise den uneinsichtigen Schwachköpfen voraus hat, erkannte ich: Auch die Bemühungen um Weisheit und Erkenntnis ist Jagd nach dem Wind. Wer viel weiß, hat viel Ärger. Je mehr Erfahrung, desto mehr Enttäuschung. Ich entschloß mich, das Leben zu genießen, aber auch das ist vergeblich. (siehe auch VergeblichkeitallenTuns)
Die Größe des Universums verdeutlicht die Größe des Problems: Gemessen an der Unendlichkeit von Raum und Zeit ist der Mensch ein NICHTS. Und trotzdem versucht er immer wieder, den Sinn des Ganzen zu erfassen.
Der Mensch sucht in die sachliche Wahrheit der Natur einzudringen, aber in ihrem letzten, unfaßbaren Hintergrund sieht er wie in einem Spiegel unvermutet – sich selbst. (C.F. Weizsäcker in Vorlesung zur Geschichte der Natur, 1948)
Seelig sind die Verrückten, die an die Wand gedrückten.
Auf dem Grund der Naturwissenschaft wartet der Wahnsinn.
Das Endstadion des Wissens ist die Verzweiflung über die Dummheit der anderen. IE, 2012
Der menschliche Geist hat seine Grenzen. Buch: Wo der Vogel am Schönsten singt
Viele Menschen sind wie Blinde, die vom Sehen träumen. Christian Friedrich Hebbel, dt Dramatiker.
Ich verstehe ein bißchen von der Natur und wenig von den Menschen. (Albert Einstein als ihm angeboten wurde, der erste Präsident Israels zu werden.
Die Klügste ist die, die weiß, daß sie nichts weiß. Sokrates

Fazit aller Erkenntnis

Wir sollten gegen unsere eigenen Erkenntnishorizont äußerst mißtrauisch sein, da wir aller Wahrscheinlichkeit so ziemlich am Anfang der Menschheits- und Erkenntnisgeschichte stehen, und jene Generationen, die uns berichtigen werden, weit aus zahlreicher sein werden, als die, die wir heute berichtigen. F Engels, Anti-Dühring, S. 80
Den momentanen Höhepunkt der gesamten menschlichen Erkenntnis stellt der Marxismus-Leninismus dar. Dial+Hist Materialismus, 3. Aufl, S. 28

Unvollständigkeit der Erkenntnis

Die Unerreichbarkeit vollständiger Erkenntnis könnte aus den Gödelschen Unvollständigkeitssätzen folgen. Denkanstöße 2007, S. 165
Nach Roger Penrose beweisen die Gödel-Sätze nicht die prinzipielle Unmöglichkeit absoluter Erkenntnis, sondern die Grenzen von Modellen. Denkanstöße 2007, S. 166

Querverweise

Erkenntnisse führen zu Wissen
Wahrheit
Weisheit