Papiergespenst der Gulden

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Von den Zauberblättern zur Neuen Weltordnung

Finanzminister
Der Arbeiter wird ungeduldig,
Mit Ungestüm verlangt er seinen Lohn,
Und wäre er uns nichts mehr schuldig,
So liefe er uns gar davon.

Schatzmeister
Ach ihr Herren in denen reichen Staaten,
An wen ist der Besitz geraten?
Wohin man kommt, da hält ein Neuer Haus
Und unabhängig will er leben!
Zusehen muß man, wie er´s treibt.
Wir haben so viel Rechte hingegeben,
das uns kein Recht mehr übrig bleibt.
Auch auf Parteien, wie sie heißen,
ist heutzutage kein Verlaß.
Sie mögen schelten oder preisen.
Gleichgültig wurden Lieb und Haß.

Kämmerer
Welch Unheil muß auch ich erfahren.
Wir sollen alle Tage sparen, sparen.
Doch brauch´ ich alle Tage mehr!
Und täglich wächst mir neuer Pein.
Den Reichen tut kein Mangel wehe:
Wildschwein, Hirsche, Hasen, Rehe,
Hühner, Gänse, Eier, Enten,
Deputate, sich´re Renten,
Sie alle gehen reichlich ein.
Jedoch dem Volke fehlt der Wein.
Wenn sonst im Keller Faß an Faß sich häufte,
der besten Berg- und Jahresläufe,
so schlürft´ das unendliche Gesäufe
der edlen Herren den letzten Tropfen aus.
Der Stadtrat muß sein Silber pfänden,
verpfändet ist die Frau im Bette,
die Schweine werden nicht mehr fette.
Es scheint, als gehe es zu Enden.

Kaiser zu Mephistoles
Sag, Teufel, weißt du nicht auch noch eine Not?

Mephistoles
Ich? Keineswegs! Den ganzen Glanz umher zu schauen,
Dich und die Deinen mangelt´s an Vertrauen.
Wem fehlt nicht irgendwo etwas auf dieser Welt?
Dem einen dies, dem anderen das, doch allen fehlt´s am Geld.

Kaiser
Ich hab es satt, das ewige Wie und Wenn.
Es fehlt an Geld? Nun gut, so schaff es denn!

Mephistoles
Du wähnst, es füge sich sogleich?
Denkst, Helenen ist so leicht hervorzurufen?
Hier stehen wir vor steil´ren Stufen,
Wenn selbst die Steuer nicht mehr reicht.

Doch mit List kann man was schaffen,
was selbst die Schlauesten nicht raffen.
Das Betrügen ist gar nicht so schwer,
So schaffe ich der Zauberblätter immer mehr.
Voller Frevel entledigt Ihr Euch aller Schulden,
Mit dem Papiergespenst der Gulden!

Kanzler
Beglückt genug in meinen alten Tagen.
So hört und schaut das schicksalsschwere Blatt,
Das alle Weh´n in Wohl verwandelt hat.
„Zu wissen sei es jedem, der´s begehrt:
Der Zettel hier, ist tausend Kronen wert.“
Es diene jedem zum Ersatz,
den Bergleuten für ihren Schatz.
So fließt denn wieder der Knechte Blut
Und den Herren geht es endlich gut.

Kaiser
Ich ahne Frevel, ungeheueren Betrug!
Wer fälschte hier des Kaisers Namenszug?
Wurde solch Verbrechen nicht bestraft?

Schatzmeister
Erinnere dich!
Du selber hast es unterschrieben,
Erst heute Nach als großer Pan.
Der Kanzler sprach zu dir heran:
„Gewähre dir das hohe Festvergnügen,
des Volkes Heil, mit ein paar Tuschezügen.“
Du tauchtest ein, dann ward’s in letzter Nacht
durch Drucker schnell vertausendfacht.
Damit die Wohltat gleich gedeihe,
Stempelten wir die ganze Reihe.
Zehn, Zwanzig, Fünfzig, Hundert sind parat.
Ihr denkt euch nicht, wie wohl’s dem Volke tat.
Seht, euer Land, sonst halb im Tod verschimmelt,
Wie jetzt alles lebt und lustgenießend wimmelt!
Obschon dein Name längst die Welt beglückt,
Man hat ihn nie so freundlich angeblickt.
Das Jammern ist nun völlig überzählig,
Mit diesem Streich wird jeder selig.

Kämmerer (eilig auftretend, zum Kaiser):
Durchlauchtester, Nie in meinem ganzen Leben
Konnt solch Verkündigung ich Euch nun geben:
Rechnung für Rechnung ist berichtigt,
Die Wucherklauen sind beschwichtigt.
Los bin ich der Höllenpein,
Im Himmel kann´s nicht schöner sein.
Abschlägig ist der Sold entrichtet,
Das ganze Heer aufs neu‘ verpflichtet.
Ach, wie sorglos atmet meine Brust.

Kaiser
Und meinen Leuten gilt’s für gutes Gold?
Dem Heer genügt’s zu vollem Sold?
Ich kann die Wirkung kaum erfassen
Doch ich muß es gelten lassen.

Mephistoles
Ein solch Papier, an Gold und Perlen statt,
Ist so bequem, da weiß man, was man hat.
Man braucht nicht erst zu markten oder tauschen,
Kann sich nach Lust in Lieb‘ und Wein berauschen.
Will man Metall, ein Wechsler steht bereit,
Und fehlt es da, so gräbt man eine Zeit.
Pokal und Kette werde verauktioniert,
Und das Papierchen armortisiert.
Beschämt der Zweifler, der uns frech verhöhnt.
Man will nichts anders, ist jetzt d´ran gewöhnt.
So ist von nun an in allen Kaiserlanden
Papier zum Drucken genug vorhanden.

Marschalk
Unmöglich wär’s, die Flüchtigen zu fassen,
Mit Blitzeswink zerstreut´ es sich im Lauf,
Die Wechslerbänke stehen sperrig auf.
Man honoriert daselbst ein jedes Blatt
Mit Gold und Silber, freilich mit Rabatt.
Nun geht’s von da zum Fleischer, Bäcker, Schenken;
Die ganze Welt scheint nur an Schmaus zu denken.
Der Krämer krämt, der Schneider näht,
Und alle Welt in neuen Kleidern geht.
Beim ´Hoch dem Kaiser!´ sprudelt’s in den Kellern,
Man kocht und brät und klappert mit den Tellern.

Mephistoles
Wer die Terrassen einsam abspaziert,
Gewahrt die Schönste, herrlich aufgeziert.
Ein Aug‘ verdeckt vom stolzen Pfauenwedel,
Schmunzelt sie und blickt nach seines Schekel.
Und schneller als durch Witz und Redekunst
Vermittelt es die reinste Liebesgunst.
Man muß sich nicht mit seinem Säckel plagen,
Das Blättchen ist am Hintern leicht zu tragen.
Mit Liebesbriefen paart’s sich hier,
Der Priester trägt’s an seinem Brevier.
Und der Soldat, um rascher sich zu wenden,
Erleichtert schnell den Gürtel seiner Lenden.

Majestät verzeihe, wenn ich ins Kleine
Das hohe Werk zu ziehen scheine.

Schatzmeister
Zwischen uns soll sich kein Zwist mehr regen,
Den Demagogen wünsch ich zum Kollegen.

Kaiser
Das hohe Wohl verdankt Euch unser Reich.
Wo möglich sei der Lohn dem Dienste gleich.
Vertraut sei Euch des Reiches Boden,
Ihr seid der Schätze würdigster Kustoden.
Ihr kennt den weiten, wohlverwahrten Hort,
Und wenn man gräbt, so sei’s auf Euer Wort.
Vereint Euch nun, Ihr Meister unsres Schatzes,
Erfüllt mit Lust die Würden Eures Platzes,
Wo mit den Oberen sich die Unterwelt,
In Einigkeit beglückt zusammenstellt.

Beschenk‘ ich nun bei Hofe Mann für Mann,
Gesteh‘ er mir, wozu er’s brauchen kann.

Page
Ich lebe lustig, heiter, guter Dinge.
Kavalier
Ich schaffe gleich dem Liebchen Kett und Ringe.
Kämmerer
Von nun an trink‘ ich doppelt beß´re Flasch.
Spieler
Mir jucken schon die Würfel in der Tasch.
Bauherr
Mein Hof und Feld, ich mach‘ es schuldenfrei.
Geiz
Es ist ein Schatz, den lege ich meinen Schätzen bei.

Kaiser
Ich hoffte Lust und Mut zu neuen Taten.
Doch wer euch kennt, der wird es leicht erraten.
Ich merke wohl bei aller Schätze Flor,
Wie ihr gewesen, so bleibt ihr nach wie vor.

Volk
Da, seht her, das ist Goldes wert???
Mephistoles
Ihr habt dafür, was Bauch und Schlund begehrt.
Volk
Für diese Zauberblätter? Versteh´n wir´s recht?
Mephistoles
Das glaub ich wohl, denn ihr gebraucht sie schlecht.
Volk
Damit soll´n wir kaufen Acker, Haus und Vieh?
Mephistoles
Verschuldet Euch und es fehlt Euch nie.
Narr
Schon heut Abend wieg‘ ich mich im Grundbesitz!
Mephistoles
Wer zweifelt da noch an des Teufels Witz?

Prof. für Volkswirtschaft
Das Übermaß der Schätze, die erstarren
ungenutzt in des Landes Boden harren.
Selbst der weiteste Gedanke
Ist des Reichtums kümmerlichste Schranke.
Die Phantasie, in ihrem höchsten Flug,
Strengt sich an und tut sich nie genug.
Doch fassen Geister, würdig, tief zu schauen,
Zum Grenzenlosen grenzenlos Vertrauen.

Wallstreet-Bänkster
Genug ihr Toren? Was soll uns das?
Es ist ja nur ein Maskenspaß!
Glaubt Ihr wohl, es ist Geld mit Wert?
Für Euch Narren sind in diesem Spiel
Selbst Bitcoins immer noch zu viel.
Im Nehmen sind wir unverdrossen,
Die Wahrheit bleibe Euch verschlossen.

Herold
Es bleibt doch immer nach wie vor,
Die Welt ein einzig, großer Tor!
Wie doch der Schelm so viel verheißt,
Und nur verleiht, was Golden heißt.

Die Neue Weltordnung
Es fieberhaft im Lande wütet,
Und Übel sich in Übel überbrütet!
Es tobt gar schlimm in diesen Tagen,
Ein jeder schlägt und wird erschlagen.
Wo Psychopathen als Minister schalten,
Eine verkehrte Welt sich tut entfalten.
Wo Betrüger auf ihre Paragraphen pochen,
Werden Opfer meist als schuldig angesprochen.
Ein Richter, einst ein wohlgesinnter Mann,
Die echten Täter nicht mehr strafen kann,
Neigt sich zu, dem Schmeichler und Bestecher,
Und wird nun selber zum Verbrecher.
Die Unschuld versucht, sich selbst zu schützten,
Doch tut sie sich auf falsche Lehren stützten.
So scheint die Welt, sich selber zu zerstückeln.
Wie soll sich da ein Sinn entwickeln?
Vernichtet, was sich eigentlich gebührt,
Und im Grunde wohl zum Wohlstand führt.
Wo der Rechtsmißbrauch gesetzlich waltet,
Ist Sitte und Gerechtigkeit veraltet.
Doch das, wonach gar alle Menschen zehren,
Was alle wünschen, aber schwer entbehren,
Liegt an Jedem, es sich selber zu gewähren!

Original von Johann-Wolfgang Goethe (Kaiserliche Pfalz im Faust, 2. Teil), Adaption von Iko Nomikus

Was würde Marx dazu sagen? „Die Befreiung der Arbeiterklasse, kann nur das Werk ihrer selbst sein!“