Wertausdruck

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Wie kann man den Wert einer Ware ausdrücken? Diese Frage steckt hinter dem Begriff ´Wertausdruck´, denn hat man eine allgemeingültige Antwort auf diese Frage, könnte man den Wert einer Ware ausdrücken – man hätte einen Wertausdruck.
Wir sind es gewohnt, den Wert einer Ware in einer Geldmenge G auszudrücken, zum Beispiel ´1 Brot ist 2,50 Euro wert´. 2,50 Euro ist aber eine Geldmenge – und eine Geldmenge kann keine Größeneinheit sein. (Zum kategorischen Unterschied zwischen realen Mengen, Eigenschaften und Größen siehe die Artikel in der konsIkon.)
Wahrscheinlich ist schon Aristoteles auf diese Schwierigkeit gestoßen, denn bei ihm begegnen wir bereits dem Begriff ´Wertausdruck´.

bei Aristoteles

In der Etica Nicomachea analysiert Aristoteles den Austausch von 5 Polster ⇔ 1 Haus und macht gleich den ersten Fehler. Er setzt beide Warenmengen einfach einander gleich: 5 Polster = 1 Haus. Anschließend räsoniert er:
„Der Austausch kann nicht sein ohne die Gleichheit, die Gleichheit aber nicht ohne die Kommensurabilität. Es ist in Wahrheit aber unmöglich, daß so verschiedenartige Dinge kommensurabel sind. Was ist das Gleiche, d.h. die gemeinschaftliche Substanz, die das Haus für den Polsterer im Wertausdruck des Polsters vorstellt? So etwas kann in Wahrheit nicht existieren. Diese Gleichsetzung kann nur etwas der wahren Natur der Dinge Fremdes sein, also nur ein Notbehelf für das praktische Bedürfnis.“ Aristoteles: Ethica Nicomachea, zit in KM1, S. 74, Fn 24

Kommentar: Möglicherweise war der Unterschied zwischen realer Menge und deren Eigenschaften zu Zeiten des Aristoteles noch nicht so herausgearbeitet wie heute. Den Meisten wird der kategorische Unterschied zwischen der Mengeneinheit 1 Fuß und der Längeneinheit 1 Fuß selbst heute noch nicht geläufig sein. Das Aristoteles vom Warenwert als Größe spricht, merkt man an der Aussage: „…, die Gleichheit kann nicht ohne Kommensurabilität sein“ – womit er vollkommen recht hat. Das Gewicht eines Apfels können wir nur deshalb mit dem Gewicht einer Birne vergleichen, weil es sich bei der Masse um eine kommensurable Größe handelt. Wenn der Apfel genauso viel wiegt wie die Birne, sind beide gleich schwer – oder mApfel = mBirne. (Zur Begriffsklärung siehe den Artikel Kommensurabilität im Lexoekon.) Den Wert einer Ware können wir nur dann mit dem Wert einer anderen Ware vergleichen, wenn beide Größen komparabel sind. Und sobald eine Eigenschaft verschiedener Mengen komparabel ist, ist diese Eigenschaft auch kommensurabel, d.h. meßbar. (Zur Voraussetzung der Komparabilität für die Kommensurabilität siehe den Artikel Messen im Lexoekon.) Im zweiten Satz sieht er ein, daß verschiedene Dingen nicht kommensurabel sein können – weil es auf der Mengenebene generell keine Gleichheit geben kann, weil es den Mengen prinzipiell an der Vergleichbarkeit (also der Komparabilität) fehlt (siehe Unvergleichbarkeit oder Inkomparabilität realer Mengen). Wieso Aristoteles behauptet, daß ´der Austausch von 5 Polster gegen 1 Haus nicht ohne eine Gleichheit sein kann´ ist mir völlig unklar. Der Austausch von 5 Polstersesseln gegen 1 Haus kann sehr wohl ohne jegliche Gleichheit erfolgen. Was soll auch das Gleiche zwischen 5 Polstersesseln und 1 Haus sein? Von verschiedenartigen Dingen sind nur ihre komparablen Eigenschaften vergleichbar. Äpfel und Birnen sind zwar nicht das Gleiche, aber es sind z.B. deren Gewichte miteinander vergleichbar. Das Gemeinschaftliche zwischen Haus und Polster ist keine Substanz, sondern eine Größe. Wir nennen diese Größe, die Aristoteles schon damals gesucht hat, heute Produktwert (die zur Herstellung erforderliche Arbeitszeit). Diese Größe existiert, genauso wie die Masse existiert. Die Produktwerte von zwei Warenmengen sind durchaus miteinander vergleichbar und als Ergebnis des Vergleichens erhalten wir entweder das Resultat ungleich (wenn p5 Polster ≠ p1 Haus) oder gleich (wenn p5 Polster = p1 Haus). Die Gleichsetzung verschiedener Mengen (´5 Polster = 1 Haus´ oder ´5 Polster = so und so viel Geld´) verstößt aber gegen naturwissenschaftliche Prinzipien und ist schlicht und ergreifend falsch. Dort liegt bereits der Fehler, der sich durch tausend Jahre Wertökonomie zieht!

bei S Bailey

„Das der Wert jeder Waren ihr Verhältnis im Austausch bezeichnet, können wir ihn bezeichnen als … Kornwert, Tuchwert, je nach der Ware, mit der sie verglichen wird; und daher gibt es tausend verschiedene Arten von Werten, so viele, wie Waren vorhanden sind.“ S Bailey 1825, zit in K Marx: Das Kapital, Bd. 1, S. 77, Fußnote 23

bei Karl Marx

Marx bezeichnet die Warengleichung ´x Ware A = y Ware B´ als Wertausdruck, da der Wert von ´x Ware A´ mit der Warenmenge B ausgedrückt werden soll, oder umgangssprachlich: x Ware A ist y Ware B wert.
„Beispiel: 20 Ellen Leinwand = 1 Rock oder 20 Ellen Leinwand sind 1 Rock wert.“ KM1, S.63

einfacher Wertausdruck

x Ware A = y Ware B K Marx: Das Kapital, S. 63
x Ware A = Relativum, y Ware B = besonderes Äquivalent

Jedes Kind weiß, daß Äpfel nicht das Gleiche sind wie Birnen – weil es ganz einfach unterschiedliche Mengen sind. Also ist die Gleichsetzung einer Warenmenge A mit einer Warenmenge B falsch! Außerdem ist der Wert einer Ware eine Größe und damit etwas völlig anderes als eine reale Menge. Der Wert einer Warenmenge ist also etwas völlig anderes als die Warenmenge W1 selbst und erst recht etwas anderes als eine Warenmenge W2. Man kann nicht mit n Motorrädern die Geschwindigkeit eines Autos ausdrücken! Man kann nicht mit einer Warenmenge W2 den Wert einer Warenmenge W1 ausdrücken! Das sind und bleiben Kategorienfehler!

Querverweise

Marx benutzt den Begriff Wertausdruck auch für die ´Warengleichung x Ware A = y Ware B´.
Eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Marxschen Wertformen (relative Wertform, Äquivalentform, totale Wertform, entfaltete Wertform, allgemeine Wertform) finden Sie in der Schrift Grundeinheiten ökonomischer Größen (Arbeitsversion) unter dem Abschnitt ´Wertausdruck oder Wertform´.